Eine überraschende Anwendung der Unschärferelation
Nach HEISENBERG sagt die Quantenmechanik aus, dass die Energie E eines Systems und die Zeit t nicht gleichzeitig beliebig genau bestimmt sind:oder
wobei h die Plancksche Konstante ist.
(In der Literatur wird auf der rechten Seite obiger Ungleichung h auch durch andere Zahlen dividiert. Dies ist keine Schwäche der Quantenmechanik, sondern liegt an der willkürlichen Definition des Begriffes "Unschärfe". Für folgende Überlegungen spielt der Nenner keine tiefgreifende Rolle).Geht das quantenmechanische System von einem höheren zu einem niedrigeren Energiezustand über, so kann eine Welle mit der Frequenz f nach
ausgesandt werden. Hat der Wellenzug die Zeitdauer und die Frequenzunschärfe , so ist die Energieunschärfe
In die Heisenbergsche Ungleichung eingesetzt erhält man:
Nach dem Kürzen durch h bleibt also eine Ungleichung
übrig, die keinerlei mikroskopische Voraussetzung mehr enthält.
Dies wollen wir ausnützen, um eine Aussage für akustische Tonfolgen zu
treffen:
Das Produkt aus der Frequenz eines Tons - und damit seiner Tonhöhe - und
seiner Zeitdauer ist nicht genauer als 0,16 bestimmt. (Nach obiger
Anmerkung kann auch ein anderer Zahlenwert als 0,16 verwendet werden, je nach
Definition der "Unschärfe", die Größenordnung bleibt jedoch
annähernd gleich).
Anwendung in der Praxis: Ein Pianist kann in einer Tonleiter sicher 10 Töne pro Sekunde spielen. Damit ergibt sich eine durchschnittliche Zeitdauer von 0,1 s. Dies entspricht nach Heisenberg einer Frequenzunschärfe von
Haben zwei benachbarte Töne dieser Tonleiter einen Frequenzabstand, der in die Größenordnung dieser 1,6 Hz hinkommt, so sind diese Töne nicht mehr zu trennen, man hört sie "verschmiert". In den Diskant-Oktaven ist dies nicht der Fall, sicher jedoch im Bass-Bereich.
Beispiele (durchschnittliche Zeitdauer 0,1 s):
Töne: | Frequenzen: | Differenz: |
h'', c''' | 987,8 Hz; 1046,5 Hz | 58,7 Hz |
h, c' | 246,9 Hz; 261,6 Hz | 14,7 Hz |
E1, F1 | 41,2 Hz; 43,7 Hz | 2,5 Hz |
Wohlgemerkt: diese Zahlen drücken die Unschärfe aus, die von der Welle
vorgegeben ist, das Gehör vergröbert sicher diese Zahlen noch.
Wie man in der Tabelle sieht, ist in der Mitte der großen Oktave die Unschärfe
in der Größenordnung der Frequenzdifferenz zweier benachbarter Halbtöne, so
dass der darausfolgende Effekt, nämlich die unsichere Tonhöhenzuordnung,
erklärbar ist. Dagegen werden die höheren Töne klar getrennt.
Diese Eigenart machen sich Komponisten zu eigen, wenn sie schnelle Läufe im Bassbereich verwenden, die als dunkles "Grummeln" wahrgenommen werden, im Gegensatz zu Läufen im Diskantbereich, die brillant und glockenrein zu hören sind.
Wenn dem Leser die vorausgegangene akustische Interpretation einer quantenmechanischen Aussage zu weit gegangen ist: dahinter steckt nichts Anderes als die Fourier-Transformation des Zeitbereichs in den Frequenzbereich, die natürlich auch auf mechanische Wellen anwendbar ist.Zum Abschluss ein Hörbeispiel: Vorgespielt wird folgende Tonleiter:
Zum Anhören:Wiedergabe mit 16 Tönen pro Sekunde: tonleiter16.mid , entspricht einer Frequenzunschärfe von 2,6 Hz.
Wiedergabe mit 10 Tönen pro Sekunde: tonleiter10.mid , entspricht einer Frequenzunschärfe von 1,6 Hz.
Man hört deutlich das "Gebrummel" im Bass-Bereich, insbesondere beim ersten Tonbeispiel.