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Zur Physik des Leuchtpunktvisiers

Während man bei den traditionellen Visiereinrichtungen Kimme / Korn oder Zielfernrohr darauf zu achten hat, dass die optische Achse der Einrichtung genau mit der Blickrichtung übereinstimmt, ist dies bei einem Leuchtpunktvisier nicht mehr nötig. Es wird als Zieleinrichtung beim neuen Gewehr G36 der Bundeswehr und in leicht abgewandelter Form in der Amateurastronomie angewandt.


Sieht man durch ein Leuchtpunktvisier ([1]), dann kann man inmitten des Zielobjekts einen kleinen grünen Leuchtpunkt erkennen. Die Stelle des Zielobjekts, in der dieser Leuchtpunkt zu sehen ist, ist dann genau auf der optischen Achse des Geräts -  unabhängig von der Position des Auges. Wie dies funktioniert soll im Folgenden beschrieben werden. 
Die wesentlichen Bestandteile sind eine fast punktförmige Lichtquelle L und eine gekrümmte und leicht gegen die optische Achse geneigte Glasplatte S, die als halbdurchlässiger Spiegel funktioniert.

Der Kurvenverlauf dieser Platte S ist zu bestimmen. 
Gesucht ist also der geometrische Ort der Punkte P, für die gilt:

  Die Richtung Auge - Ziel stimmt mit der Richtung Auge - P des reflektierten Lichtstrahls der Lichtquelle überein, und zwar unabhängig von der Position des Auges.  

Folgende Planfigur wird hierzu betrachtet:


Dabei bedeuten: A: Auge, L: Lichtquelle, Z: Ziel, P: Punkt auf der reflektierenden Glasplatte, v: Richtung tangential zur Glasplattenoberfläche.

Halbiert der Vektor v den Winkel zwischen den Vektoren und , so sieht das Auge A die Lichtquelle L genau vor dem Ziel Z.

Man erhält: 

Und damit:

Die Kurvensteigung im Punkt P ist dann

 

Da das Ziel (das anzuvisierende, nicht das Ziel der Rechnung!) sicher sehr weit entfernt ist, ergibt sich für  :

und für y << a:

.

Eine Lösung dieser Differentialgleichung für  ist

.

Der Graph dieser Kurve für a = 7 cm bei einem Spiegeldurchmesser von 2 cm lässt schon an einen angenäherten Kreisbogen erinnern:

  

Deshalb wurde der Radius r des Krümmungskreises im Ursprung berechnet:

.

Unter Verwendung der Grenzwerte

und

(z. B. nach l’Hospital) erhält man

.

Beispiel: Da beim vorliegenden Gerät a etwa 7 cm und damit 

ist, handelt es sich also bei dem gegebenen halbdurchlässigen Spiegel näherungsweise um einen Kugelspiegel mit Krümmungsradius 14 cm  und der Brennweite

in dessen Brennpunkt sich die Lichtquelle befindet. Er wird folglich als Lupe verwendet. Bei nicht mehr vernachlässigbar kleinen Werten von x muss der Spiegel dagegen asphärisch geschliffen sein.

Eine ähnliche Zieleinrichtung ist für Teleskope der Amateurastronomen gedacht: TELRAD ([2]). Folgendes Bild ist ein Auszug aus der Bedienungsanleitung:

 

An Stelle des Kugelspiegels sind hier die Lupe (2), die drei rot leuchtenden Ringe ins Auge abbildet, und eine Glasplatte (1) unter 45 Grad geneigt eingebaut. Die Glasplatte dient als halbdurchlässiger Spiegel. Die Wirkungsweise dieser Anordnung ist dieselbe wie oben für den gekrümmten Spiegel dargestellt.

Beide Zieleinrichtungen, auf ein astronomisches Fernrohr montiert, lassen eine schnelle und sichere Ausrichtung des Rohres zu, ohne dass das Auge wie bei Zielfernrohren mit Vergrößerungen und Seitenumkehrungen aufgrund der Linsenabbildung zurechtkommen muss.

Astronomiesoftware, wie z.B. GUIDE, kann sogar die Zielkreise des TELRAD-Suchers in die jeweils dargestellte Sternkarte einblenden um das Aufsuchen von astronomischen Objekten zu erleichtern.

[1] Erhältlich unter diesem Namen z.B. bei der Firma BW-OPTIK Direktversand Langner-Voss, Ahaus. Preis DM 150,- (April 1999).

[2] Erhältlich unter diesem Namen z.B. bei der Firma ASTROCOM GmbH, Gräfelfing. Preis DM 129,- (Stand April 1999)

Hermann Mendel
Gregor-Mendel-Gymnasium Amberg
Moritzstr. 1
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